Sonntag, 4. August 2013

6 Gipfel in 4 Tagen...Nadelgrat & Portjengrat

Tag 1 - Zustieg zur Bordierhütte
Nach viel Wartezeit vor dem Lötschbergtunnel erreichten wir mit Verspätung Gasenried VS. Manu lief ab dort um sein Leben (ehm ich meine um sein Nachtessen in der Bordierhütte), so dass uns der Schweiss unter der Last der schweren Hochtourenrucksäcke in Bächen runterlief. Die wilde wunderschöne Umgebung inklusive der Gletscherquerung, durch welche ein Weg zur Bordierhütte führt, konnten wir erst beim Abstieg am Folgetag richtig geniessen.
Querung des Riedgletschers, um zur Bordierhütte zu gelangen

Eindrücklich, was die Natur so alles tut :-)
 
der Riedgletscher war voller kleiner herziger Gletscherbächli
Die Punktlandung zum Nachtessen um 19:00 war geschafft. Das feine Menu im Magen, wollten wir unsere Matratzen im Estrich (Notlager bei voller Hütte) beziehen. Doch, mitten im Haufen aus unseren Hüttenschlafsäcken und Kleidern schnarchte auf einer der 2 reservierten Matratzen schon ein frecher Sack...Danke! Wir fanden zum Glück noch ein anderes kleines Mätteli und legten dieses aufn einen schmalen Streifen Estrichboden zwischen 2 Betonstützen.

Tag 2 - 4x4000m, das Ulrichshorn und Chassis-Schmerz
Um 3:00 nachts verliessen wir die Hütte, über ein Schuttwegli erreichten wir mit rund sechs weiteren Seilschaften den Riedgletscher. Von weitem sah das 200 Höhenmeter lange Dirrucouloir beinahe senkrecht aus, doch wie im Führer beschrieben präsentierte es sich 45-50° steil. Aus diesem Couloir steigt man besser zu früh als eine halbe Stunde zu spät aus. Im oberen Teil schwirrten uns erste kleine Steinchen entgegen, die 30min nach uns das Couli verlassende Seilschaft berichtete, der Ausstieg mit der grossen Wächte sei bereits mühsam weich gewesen.
Couloir, welches aufs Dirrujoch führt (Bergschrund, 45-50°, Wächte am Ausstieg)
 
Dirrujoch-Couloir: wir stiegen im unteren Teil durch eine breite Rinne auf

erste Sonnenstrahlen im Dirrujoch-Couloir...kleine runterzischende Steinchen ermahnen, dass wir zu diesem Zeitpunkt optimal bereits oben gewesen wären
Manu vor der Wächte am Ausstieg des Couloirs

Vom Dirrujoch zogen wir ohne Steigeisen (bei diesen Verhältnissen reiner Felsgrat) weiter aufs Dirruhorn und den selben Weg zurück ins Dirrujoch. Dann gings 180° in die andere Richtung, um den 2. Viertausender des Nadelgrates, das Hohberghorn, zu erklimmen. Kurz nach dem Dirrujoch befindet man sich während der ganzen Gratpassage, also für mehrere Stunden, oberhalb der 4000er Grenze. Rechts hat man Tiefblick in die Normalroute des Doms, auch am Festigrat konnten wir Seilschaften beobachten. Phippu, wir haben da noch eine offene Rechnung...Dom in one day ;-)!
Die Gipfel des 2. (Hohberghorn) und 3. (Stecknadelhorn) 4000ers des Nadelgrates

Die Tour empfand ich bei den guten angetroffenen Verhältnissen (Trittschnee im Dirru-Couloir, trockene Felsen, griffige Mixed-Stellen) nie als sehr ausgesetzt und mir sind keine wirklich schwierigen Kletterstellen aufgefallen. Aber die Länge mit Total 3100 Höhenmeter und 28Km (inkl Hüttenzustieg) betrachtlich, zudem war die Rückkehr zur Bordierhütte über den aufgeweichten Gletscher mit einer halbaperen Spaltenzone zumindest mir nicht sehr angenehm. In solchen Situationen stehe ich sehr auf ein äusserst straff gehaltenes Seil und wiederhole die Anweisung dazu gerne 2minütlich, gäu Manu ;-).
Während dem Abstieg zeigt sich der Nadelgrat in seiner ganzen Lànge: vr nl Dirruhorn, Hohberghorn, Stecknadelhorn, Nadelhorn (ganz links schaut auch noch die Lenzpitze wenig hervor)
Zurück auf der Terasse der Bordierhütte musste Manu als allererstes mit einem riesigen Kuchenstück das Abbröseln seines Kampfgewichtes verhindern. Als unsere stinkigen Socken sonnengetrocknet waren, begingen wir in Altersheim-Tempo den Abstieg....mit einem Tagestotal von 1700 Höhenmeter Aufstieg und 3100 Höhenmeter Abstieg kamen wir mit brennenden Fusssohlen, Blasen an diversen Zehen und rucksackgeschädigten schmerzenden Schultern beim Auto an. Wir fühlten uns wie frisch verprügelte 80jährige. Oder nennens wir einfach: weit davon entfernt, wie geplant morgen die nächste Tour, den Portjengrat, in Angriff zu nehmen. Kommt halt davon, wenn man arbeitsbedingt längeren Bewegungsmangel einstecken muss :-(.

Tag 3 - Rückkehr der Power & Zustieg zur Almagellerhütte
Die ersten Sonnenstrahlen verpassten wir heute, erst am späteren Vormittag erwachten wir im VW Caddy, unserem geliebten hellgrün lackierten fahrenden Basislager im Tal :-). Neuer Tag, neue Power...die Beine waren weniger schlimm als erwartet und das Topwetter soll scheinbar nur noch heute und morgen anhalten. Also Mittellegi-Pläne für Ende Woche vergessen und nun doch heute Zustieg in die Almagellerhütte. Doch bevor wir die Rucksäcke wieder auf die Rücken warfen, badeten wir uns während einem kleinen Zwischenhalt auf der Fahrt ins Saastal den Schweiss und Dreck der letzten 2 Tage vom Leib. Um die bereits arg geschädigten Zehen und Fersen zu schonen, banden wir die Bergschuhe auf den Rucksack. Manu lief mit Fivefingers und ich mit meinen geliebten Dynafit MS Feline Goretex über steinige Wege, durch Bächli und aufgeweichten Schnee. Trotz optimierter Schuwerks-Wahl schmerzten die Blasen auf den ersten 200 Metern, danach sahen die Schmerzrezeptoren nadiesna ein, dass der Portjengrat trotz ihrer Rebellion angegangen wird.
 
Swiss Map Mobile: gibt unkompliziert und rasch Auskunft über ua Routenverlauf, die Höhenmeter & Kilometer...ich bin davon als Ergänzung zum Kartenmaterial überzeugt!

Almagellerhütte, dahinter die 2.Hälfte des Protjengrates und in Bildmitte das Abstiegs-Firnfeld

"Mischabel-Blick": Reserveraum bei voller Hütte und zudem gemütlicher Winterraum

Tag 4 - mit Friends & Keilen über den Portjengrat
Nach einer kurzen Nacht im herzigen "Mischabel-Blick", dem Hüttchen neben der Almagellerhütte, welches auch als Winterraum dient, zogen wir los. Mit bunten Friends diversester Grössen, Keilen, dem Grübler und vielen Schlingen. Denn ausser den 4 Plättchen am Einstieg und dem Haken an der Abseilstelle beim Gipfel fehlt auf dem Portjengrat jede Spur von Metall -  zum Glück, bei diesen fast durchgehend perfekten Selbstabsicherungsmöglichkeiten!
Irgendwie schafften wir es wiedermal mit Verspätung loszuziehen. Doch nicht schlimm, mit einem Sprint holten wir die Stirnlampen paar Hundert Meter vor uns ein, so dass wir als 2. Seilschaft in den Fels einsteigen konnten. Der Einstieg ist mit einem gelben Pfeil markiert, einige plattige Seillängen führen von dort auf den Grat.
Plattige Einstiegs-SL führen auf den Grat (4 Plättchen)
Wir genossen jeden Grat-Meter, überkletterten sämtliche Türme und Spitzchen. Den relativ frischen Felsausbruch berücksichtigt, gibt das unseres Erachtens mindestens eine 5er Stelle. Der Grossteil der Kletterstellen liegt im 3.-4. Grad, eine lange Gehstrecke über einen Firnrücken markiert ca Halbzeit der Tour. Stand-zu-Stand gesichert haben wir 3-4x, den Rest gingen wir ziemlich gleichzeitig am Seil. Aaach, ich will mehr von solchen selbstabzusichernden Gräten - einfach ein spezielles, irgendwie faszinierendes Gefühl, wenn man sich seine Sicherungspunkte selber legen muss :-).

Schöne Erinnerungen an den Portjengrat

 
eine der spannenderen Stellen, aber nicht die Schlüsselstelle

 
Wie in dieser Region gewohnt, zog auf der italienischen Seite das Nebelmeer auf, auf der Schweizer Seite sahen wir klar bis zur Plaine Morte und noch weiter. Ich liebe die Stimmung auf Gräten einfach :-).
Auf dem Abstieg zum Auto ins Tal feuerten nochmals die Fusssohlen, aber mit der Vorfreude fürs morgige Ausschlafen im gewohnten Bett zuhause war dies halb so schlimm. Nun ist mindestens ein Bewegungsapparat-schonender Tag angesagt - unser Chassis soll die Berge ja schliesslich noch viele Jahre aushalten :-).