Samstag, 14. September 2013

Septembertage...

Der Vormittag des ersten Ferientages bereits angebrochen, wussten wir noch nicht, wo wir morgen oder in einer Woche sein werden. Aber genau diese rollende Von-Tag-zu-Tag Planung bedeutet für uns Ferien. Ich packte Schlafsäcke und das ganze Essen in den VW Caddy. Milchpulver, Knuspermüesli, Teigwaren, Salz, Suppenbeutel, Trockenfleisch. Nein, unsere Gaskocher-Menus bekämen bestimmt keine 5 Gourmetsterne, ABER wenn ich nach einer 13-stündigen Tour zum Auto zurückkommen, dann läuft mir der Speichel selbst bei ungesalzenen blossen Teigwaren im Munde zusammen! Also, Grundregel Nr 1 Outdoorverpflegung: je weiter von der Zivilisation entfernt, desto besser schmeckt die Madensuppe.
Erst auf dem Parkplatz in Pont-de-Nant erfolgte genauere Planung der nächsten Tage, camptocamp Berichte wurden durchgeforscht, das Wetter nochmals abgecheckt.
In dieser ersten Nacht leckte Manus Schlafmatte noch nicht, desto schwieriger gestaltete es sich, ihn um 5:30 aus dem Schlafsack zu holen, um den Weg Richtung Cabane Plan Nevé unter die Füsse zu nehmen. Vorher wurden aber noch die Rucksäcke an Manus Federwaage gehängt, schon lange wollten wir mal objektivieren, was wir so durch die Berge schleppen: Mein Rucksack wog 9.5Kg, Manu's 10.5Kg. Da liegt Abspeckbedarf vor! Unser Ziel ist ein Hochtouren-Rucksack unter 8Kg :-).
Meine neuste Erungenschaft, das Tendon Master 9.7mm, passt perfekt zum Dynafit-grün der Primaloft und des Thermal Layer :-)
Bei der Cabane Plan Névé deponierten wir Steigeisen und Essvorrat für den nächsten Tag. Weiter stiegen wir auf den Col des Chamois zum Einstieg des Südgrates auf die Pierre Q'Abotse. Nicht das erste mal standen wir auf diesem Pässchen. Letzten Herbst, bereits lag teilweise Schnee, traten wir bei Eiseskälte im Schneeflockensturm nach einigen vereisten rutschigen Metern im Fels den Rückzug an. Winterbesteigung dieser im unteren Teil plattig-abschüssigen brüchigen nicht abzusichernden Stellen....Never, nix was uns unter den Fingernägeln brennt!

Südgrat auf die Pierre Q'Abotse

diese 5c Platte ist eine Variante in der Route auf die Pierre Q'Abotse
Mit dem grünen neuen Tendon Master 9.7mm Seil und schwitzend selbst im ärmellosen T-Shirt war ich für die Variante "5c Platte" in Bergschuhen motiviert. Der Rest des Grates ist einfacher, aber hält 2-3 spannende Stellen bereit. Topo & Beschrieb siehe unter http://www.camptocamp.org/routes/55444/fr/pierre-qu-abotse-arete-s
Unter Einfluss meines knurrenden Magens (wir haben das Brot vergessen im Auto) hatte ich die ganze Tour lang das Gefühl, ich würde Wurst riechen - irgendwo muss eine Wurst sein, aber wo? ...Auf dem Gipfel schnitt die zweite Seilschaft ihre Salami in dick Redli...ich habs doch gerochen!

Nach Übernachtung in der Cabane Plan Névé zogen wir erneut los in den Wadtländer Kalk. La Vierge, ein knapp 1Km langer Felsgrat auf den Tête a Pierre Grept, entpuppte sich besonders im ersten Teil als Imbegriff von brüchig. Die schwierigeren Stellen sind plattig und wirklich nach alter Schule bewertet. Die Schlüsselstelle kommentierte Manu mit Bergschuhen im Vorstieg als "machbar", ich im Nachstieg war froh, nicht zu fallen und ohne z bschisse durchklettern zu können.
Die plattige Schlüsselstelle
 
Die plattige Schlüsselstelle von oben (Platte selbst sieht man hier nicht)
Im Vergleich zum Portjengrat erschienen uns die paar Schlüsselstellen ähnlich anspruchsvoll, aber La Vierge beinhaltet einen grösseren Streckenanteil, welcher gut am halblangen Seil zu verantworten ist. Der Portjengrat ist sehr gut selbst abszusichern, auf dem heutigen Grat waren wir ziemlich froh über die sehr gut eingerichteten Haken/ Abseilstände. Letztere sind sogar mit Reflektoren ausgestattet, also am besten die Nacht abwarten, wenn man sie tags nicht findet ;-).

La Vierge und wir zwei als Schattenbild :-)


Der Abstieg zur Cabane Plan Nevé beinhaltet Abseilen ohne Ende (insgesamt 10x Abseilen, 50m Seil) und anschliessend rund 50min Abrutschen/-steigen durch sehr steile Schuttflanken. An einer besonders steilen und unten durch eine senkrechte Stufe begrenzte Stelle sind wir in den Firn ausgewichen und haben dort Trittchen geschlagen. Besser, man ist für den Abstieg noch nicht ganz am Ende seiner Kräfte!
Abstieg durch die steile Schuttflanke (ist deutlich steiler als es auf dem Foto wirkt)
Nächsten Morgens liefen wir mit ca je 7Kg weniger am Rücken los auf die Dent D'Oche, an den Füssen die leichten Trailrunning Schuhe. Was für eine Wohltat für Füsse und Rücken, was für ein Gefühl des Fliegens nach 2 Tagen heavy-Material Bergsteigerei :-). Unsere Regel lautete 50 Rappen Einkaufsguthaben heute Nachmittag im Vieux Campeur (das "Bergsteiger-Paradies" in Thonon-Les-Bains) pro aufwärts zurückgelegten Höhenmeter - Manu hatte seine Leichtsteigeisen im Hinterkopf und gab dermassen Gas, dass ich im Mittelteil ums Schnüerli (ca 2m lange Elastikschnur, welche im Skitourenrennsport zum Konditionsausgleich zwischen 2 Teammitgliedern dient) flehte.
Im Aufstieg auf die Dent D'Oche
Wir sind aktuell geradezu begeistert von dieser Art Speedwandern, die Materialschlacht und damit die Schlepperei fallen hier weg. Zudem ist diese Fortbewegungsart in schöner Umgebung wenig von Wetter und Verhältnissen abhängig, bei Stockeinsatz wird sie zum Ganzkörpertraining und gibt ganz schön Kondition für die kommende Skitourensaison. Vor dem Besuch des Vieux Campeur warfen wir uns anstandshalber noch in den Genfersee, um die gröbsten Matschspritzer von den Waden wegzuputzen ;-).
Genfersee: über 10 Grad wärmer, als die Bergbäche, welche uns an den vorherigen Tagen als Badewannen-Ersatz dienten
Drei Tage später, mit inzwischen einem weiteren Trailrun in den Beinen (Hohmad im Berner Oberland), fuhren wir nach Briancon dem guten Wetter entgegen. Bereits in Genf war der Scheibenputzmitteltank schon fast leer, denn ich fuhr. Und ich liebe nichts mehr, als Drängeler hinter mir mit einem guten Gutsch Putzmittel zu besprühen ;-). Auf dem Col du Galibier, übrigens auch Tour de France Strecke, lag ein klitzekleines Schäumchen Neuschnee, da kommt Skistimmung auf :-). Eine wunderschöne Berglandschaft hier in den Höhen um Briancon herum, wie extra gemacht fürs Trailrunning und Wandern. Auch die letzten Alpenviertausender sind hier anzutreffen (Barre des Ecrins, La Meje,...na gut 3.983m), doch bei den gemeldeten deutlichen Minustemperaturen in der Höhe blieben die Steigeisen für einmal Zuhause.
Auf dem Weg nach Briancon: die letzten Alpen-fast-viertausender, ganz rechts die Meije
Die Trailrunningschuhe geschnürt und bei rund 16°C und ziemlich Wind die Weglein raufsteigend packte sich Manu in eine Schicht Kleider nach der andern - auch in Daunenjacke schüttelte es ihn zuletzt. So wurde aus dem Trailrun ein 2-stündiger Spaziergang. Dabei blieb es dann auch, nächsten morgen fuhren wir zurück nach Bern in Richtung heisse Badewanne, denn bei kühlem Herbstwetter mit Grippe auf Bergmättelis zu campen ist nichts lustiges, zudem hätte mir der Partner für schnelle Touren gefehlt. Briancon, wir kommen nochmals!